Rechtliches

Ihr nehmt an der „Ende-Gelände“-Aktion teil. Welche rechtlichen Folgen kann das für euch haben?

Es gehört zum Wesen der Repression (durch den Staat, die Polizei oder private Unternehmen), dass sie unberechenbar ist, trotzdem verfügen wir über Erfahrungswerte und können einige Reaktionen im Voraus abschätzen. Eine Garantie ist das aber nicht. So oder so gilt: Gemeinsam bauen wir Strukturen der Solidarität auf, um diejenigen zu unterstützen, die unter Repressalien zu leiden haben – niemand wird allein gelassen! Im Camp wird es ständige Ansprechpartner*innen für rechtliche Fragen geben und wir bieten Workshops zu diesem Thema an. Es ist unmöglich, alles schon vorher abzudecken, also kommt zum Camp. Dort werden wir offene Fragen gemeinsam diskutieren. Darüber hinaus arbeiten wir an einer ausführlichen Broschüre, die viele verschiedene Handlungsoptionen und den weiteren Bezugsrahmen darstellen wird.

Solltest du nach der Aktion rechtlich belangt werden, wende dich an deine Bezugsgruppe und kontaktiere die Rechtshilfe im Camp, wenn du magst. Gemeinsam werden wir Möglichkeiten finden, mit der Repression umzugehen und sie zur Stärkung unserer Bewegung zu nutzen, statt uns von ihr schwächen zu lassen! Wir möchten ausdrücklich darauf hinweisen, dass die dargestellten Strafrahmen nicht in Stein gemeißelt sind. Sie sind eine Orientierung für alle möglicherweise Betroffenen. Gegen gerichtliche Anordnungen kann man Rechtsmittel einlegen. Man kann mit anwaltlicher Hilfe oder einem anderen Rechtsbeistand (Verteidigung durch juristische Laien) Klage einreichen. Wir können die juristischen Vorwürfe politisch nutzen und die Absurdität der Kriminalisierung von Klimaaktivistinnen und -aktivisten öffentlich machen. Und wir können uns auch dagegen wehren – wenn du es willst!

Die Nummer des EA (Ermittlungsausschuss/legal team) ist nicht mehr aktiv.
Unter folgender Mailadresse erreicht ihr die Anti-Repressionsgruppe: antirrr@riseup.net

Weitere Informationen zu rechtlichen Fragen und praktische Tipps
findet ihr unter diesem Link zum legal team.

1. Strafrecht

Relevant sind vor allem folgende Straftatbestände:

  • Hausfriedensbruch: Wenn ein Gebäude oder Gelände (z.B. ein Tagebau) „widerrechtlich“ betreten wird – falls eindeutig umzäunt oder mit entsprechenden wahrzunehmenden Hinweissschildern versehen oder euch als bekannt unterstellt wird, dass der*die Besitzer*in/Berechtigte das nicht will, gilt das bereits beim Betreten. Falls nicht, erst wenn ihr euch auf Aufforderung des*der Berechtigten (also RWE) nicht entfernt
    Strafrahmen: 10 bis 30 Tagessätze
  • Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte: Nur wichtig bei direktem Polizeikontakt – bezeichnet eine aktive (!) Handlung gegen Polizist*innen u.ä., eine Bewegung eures Körpers gegen den*die Beamt*in. Achtung: Flucht, passives Verweilen und Ungehorsam sind kein Widerstand!
    Strafrahmen: 30 - 50 Tagessätze
  • Nötigung: Wenn durch eine Tat eine andere Person gezwungen wird, eine Handlung durchzuführen oder zu unterlassen. Reine Sitzblockaden vor Kohlebaggern werden in der Regel nicht als Nötigung gewertet. Sich anketten oder Materialblockaden errichten wird möglicherweise verfolgt.
    Strafrahmen: 20 Tagessätze

Diese Taten werden bei Massenaktionen wie Ende Gelände nur sehr selten verfolgt! In vielen Fällen kann durch aktive Antirepressionsarbeit eine Einstellung erreicht werden. Ein Tagessatz bezeichnet eine Geldstrafe, die eurem Einkommen entspricht (1 Tagessatz = 1 Tageseinkommen). Alternativ können diese Tage im Knast abgesessen werden. Die angegebenen Strafmaße sind Erfahrungswerte aus ähnlichen Aktionen in den letzten Jahren.

2. Zivilrecht

  • Schadensersatzforderung: RWE und Polizei werden vermutlich im Vorfeld und während der Aktion versuchen, mit einer Schadensersatzforderung im erheblichen Ausmaß zu drohen. Mit einer solchen Drohung gehen wir gelassen um und lassen uns nicht irritieren und auseinander dividieren, denn wir wissen: Wir sind ein breit aufgestelltes Bündnis, das in der Lage ist, eine solche Forderung öffentlich zu skandalisieren. Je mehr Menschen an der Aktion und den Protesten im Umfeld beteiligt sind, umso unwahrscheinlicher ist es erfahrungsgemäß, dass unsere Gegner ihre Drohungen nach der Aktion auch umsetzen. Die Drohung fällt praktisch immer bedeutend beängstigender aus als später die tatsächliche Forderung. Die Forderung fällt zudem fast immer höher aus als dies rechtlich zulässig wäre. Sollte am Ende dann doch noch eine reduzierte Schadensersatzsumme fällig werden, lassen wir niemanden alleine im Regen stehen.
    Also selbst dann, wenn RWE im Nachhinein doch eine Schadensersatzforderung gegen Einzelne oder viele erhebt, sind wir in einer guten Situation: Wir sind viele, wir stehen zusammen und wir können politisch, medial und juristisch gut kämpfen.
  • Unterlassungserklärung: RWE fordert euch auf, eine Erklärung zu unterzeichnen, z.B. das RWE-Betriebsgelände nicht mehr zu betreten, bei Verstoß empfindliche Strafen. Tut ihr das nicht, verklagt RWE euch – haben sie Erfolg, gilt die Erklärung trotzdem und ihr tragt die Gerichtskosten.
    Ist bei großen Aktionen erst einmal vorgekommen, im letzten Jahr (2014) gar nicht.
    Worst-Case: Bei Verstoß gegen Erklärungen droht ein Strafgeld, erfahrungsgemäß ca. 1.000 bis 10.000 € (bei Nichtbezahlen Knast), falls Gerichtsverfahren etwa 8000 Euro Gerichtskosten.

3. Personalienverweigerung

Wenn ihr die Abgabe eurer Personalien verweigert, kann dies ein Grund sein, euch in Gewahrsam zu nehmen. Dies darf 12 Stunden Dauer nicht überschreiten (erfahrungsgemäß oft weniger). Es ist möglich, dass eine erkennungsdienstliche Behandlung (Fingerabdrücke, Fotos) gemacht wird. Es kann ein Bußgeld von etwa 100 Euro verhängt werden – meistens passiert dies nicht.Großer Vorteil: Im Idealfall seid ihr am Abend frei und habt keine rechtlichen Folgen. Im Rheinland gibt es sehr viele Erfahrungen aus den letzten Jahren, bei denen erfolgreich die Personalienabgabe verweigert wurde – Sprecht uns gerne dazu an.

4. Wenn ihr keinen deutschen Pass besitzt

Entscheidend ist hier der Aufenthaltsstatus. Wer also eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung hat, wird juristisch in der Regel genauso behandelt, wie deutsche Staatsangehörige. Eine Aufhebung der Aufenthaltsgenehmigung kommt erst bei schweren Straftaten in Betracht, wenn also mit mindestens einem Jahr Gefängnis gerechnet werden muss.
Touristenvisa und andere befristete Aufenthaltsgenehmigungen können, müssen aber nicht aufgehoben werden.
Bei Duldung (befristet oder unbefristet) wird es ganz schwierig. Begeht der*die Inhaber*in einer Duldung eine Straftat, dann – so das Gesetz - „soll“ die Duldung aufgehoben und zur Ausreise aufgefordert werden. Andererseits darf niemand abgeschoben werden, wenn ihm*ihr im Heimatland Verfolgung droht. Ob das der Fall ist, beurteilen die Behörden häufig anders als die Betroffenen.
Eine Nichtabgabe der Personalien von Nicht-Deutschen ist noch einmal etwas Besonderes – lasst uns am Besten auf dem Camp dazu ins Gespräch kommen!